Dieser Artikel ist der erste in der Serie über die fünf Elemente. Hier finden Sie die Einführung zu den 5 Wandlungsphasen.
Dieser Artikel enthält Ausschnitte meiner Abschlussarbeit „Psychoemotionale und Psychosomatische Aspekte der Wandlungsphase Erde“, welchen Sie hier in voller Länge lesen können: Abschlussarbeit. Hier finden Sie auch Fachinformationen zu Pathomechanismen und Behandlungsstrategien mit Chinesischer Medizin / Akupunktur.
Die Wandlungsphase Erde steht im Hervorbringszyklus zwischen dem Feuer und dem Metall. Die jahreszeitliche Zurodnung ist je nach Theorie der Spätsommer, wenn die Ernte eingefahren wird oder aber die Übergangszeit zwischen den Elementen, welches die kosmologische Sequenz ist.
Die Erde-Assoziationen reichen von dem Planeten Erde im Universum, der Erde, auf der wir gehen und leben, die Erde, die uns ernährt, über Erdbeben, die Wüste, Erdrutsche, Überschwemmungen und Naturkatastrophen. All diese Begriffe zeigen sowohl die Abhängigkeit des Menschen sowie die Bedeutung der Erde im Menschen. Der Umgang mit ihr, die Ignoranz gegenüber Umweltproblemen und das Desinteresse an Lösungen der selbigen spiegeln den Stellenwert dieses Elements im Menschen. Es kann beobachtet werden, wie immer mehr Menschen den Kontakt zu sich selbst verlieren, ihre innere Leere durch Junkfood und Süßigkeiten zu füllen versuchen und die Verwirklichung ihrer Wünsche und Träume durch zu zahlende Rechnungen, Erwartungsdruck und fehlender Glaube an sich selbst zunichte gemacht werden.
Aus diesem Grund möchte ich mir das Element Erde genauer anschauen. Die zentralen Fragen hierbei lauten, wie der Makrokosmos und die Erde im Mikrokosmos Mensch widergespiegelt wird, was die Qualitäten einer gesunden Erde sind und natürlich die Symptome und Verhaltensmuster, wenn die Mitte verloren gegangen ist.
In der Therapie spielt Einfühlungsvermögen eine große Rolle. Das Lösen von Themenschwerpunkten wie Beziehungsmuster in der Kindheit, das Selbstwertgefühl, Wünsche und Bedürfnisse kann durch Gespräche, Akupunktur sowie Chinesische Kräuter hervoragend unterstützt werden. Nicht zu vernachlässigen bei diesem Thema in der Praxis ist natürlich eine diätetische Beratung.
Zuerst war der Himmel Tian Di, „das Schöpferische“, danach die Erde, „das Empfangende“. Sie stellt die Polarität zum Himmel dar. Der Mensch hingegen entsteht aus dem Himmel und Erde, beide zusammen schaffen ihn, das Dritte. Der Mensch steht auf einer Brücke und verbindet das Yang des Himmels und das Yin der Erde in sich.
Vor Kopernikus existierte das heliozentrische Weltbild: Die Sonne dreht sich um die Erde, der Mensch wurde von Gott erschaffen und stand im Mittelpunkt. Nach der Aufklärung wurden diese Glaubenssätze verworfen, das Göttliche wurde in Frage gestellt, der Mensch war auf sich allein gestellt und nicht weiter Mittelpunkt des Universums. Durch die Industrialisierung und Globalisierung wurde dies weiter verstärkt. Die Erde im Zentrum wurde verloren, sowohl im Makro- wie auch im Mikrokosmos.
Jedes Element schöpft die Kraft aus der Erde. Durch die Rückkehr und das Innehalten kann sich die Energie neu entfalten und in das nächste Element übergehen. Ein Zitat von Chun Qiu Fan lu verdeutlicht dies:
„Die Erde hat ihren Platz in der Mitte, sie ist der üppige Ackerboden des Himmels. Die Erde bildet die Arme und Beine des Himmels, ihre Wirkkraft ist überaus fruchtbar und anmutig zu betrachten, dass man nicht oft genug darüber sprechen kann. In der Tat, die Erde ist das, was die fünf Wandlungsphasen und die vier Jahreszeiten zusammenführt. Metall, Holz, Wasser, Feuer, sie alle haben ihre eigenen Aufgaben. Jedoch, wenn sie sich nicht auf die Erde als Zentrum beziehen, würden sie alle zusammen stürzen. … Demnach ist die Erde die Kontrolleurin der Fünf Wandlungsphasen und ihr qi deren vereinigendes Prinzip.“ i
Im fünften Kapitel wird im Su Wen über die Erde geschrieben:
„Unter den Himmelsrichtungen ist es die Mitte
Das Zentrum/Mitte erzeugt Feuchtigkeit
Feuchtigkeit erzeugt die Erde
Erde erzeugt den süßen Geschmack
Der süße Geschmack erzeugt die Milz.“
Die Erde als Mitte vereinigt alle Elemente und hat die Fähigkeit, alle in sich zu tragen.
中 Mitte zeigt einen Pfeil, der eine Zielscheibe mittig durchbohrt hat. Durch diesen Pfeil wird die Drehachse gebildet. Für den Mikrokosmos Mensch bedeutet dies, dass eine gesunde Mitte zu einem gesunden Gewicht und ausgeglichenen Emotionen führt.
Feuchtigkeit spielt eine wichtige Rolle, sowohl für die Erde wie auch für die ihr zugeordneten Organe Magen und Milz (Anmerkung: Diese haben in der Chinesische andere und weitreichendere Funktionen als die schulmedizinische Vorstellung der Organe).
Durch Feuchtigkeit wird der Boden fruchtbar, Pflanzen können wachsen. Durch zuviel Feuchtigkeit wird jedoch das Ackerland unnütz und liegt brach.
Im Mikrokosmos Mensch zeigt sich dies durch Adipositas oder Magersucht – ist die Mitte gesund, sind Magen und Milz im Gleichgewicht, der Mensch hat eine gute Verdauung, auf körperlicher und mentaler Ebene.
Die Erde kann verschiedene Formen annehmen, abhängig von der Qualität, der Konsistenz und der Feuchtigkeit, die die Erde formen. So entstanden ursprünglich Lehmhäuser oder Geschirr aus Ton.
Die Nahrung, die wir täglich zu uns nehmen, wird durch den Verdauungstrakt zu einer feuchten Masse, welche dann unseren Körper nähren soll. Dies zeigt die große Bedeutung der Diätetik: Wie soll uns Fast Food ernähren und unsere Erde bilden? Was fehlt der Erde, was kann hinzugefügt werden, damit sie wieder fruchtbar wird?
Auf den Mikrokosmos Mensch bezogen kann sich diese Unfruchtbarkeit tatsächlich auf den Uterus beziehen. Abgesehen davon, dass der innere Verlauf des Milz-Meridians durch die Eierstöcke geht, entstehen durch Erlebtes oder geistige Blockaden auch Blockaden und Ansammlungen im Bauchraum, die hervorragend über den Milz-Meridian behandelt werden können.
Der süße Geschmack wiederum befeuchtet, die Milz liebt das Süße – zuviel davon schwächt sie jedoch, da Feuchtigkeit entsteht. In der heutigen Zeit ist die erste Assoziation dazu Zucker, die natürliche Süße von Obst und Gemüse spielt eine untergeordnete Rolle. Gerade der Erd-Typus neigt dazu, durch die harmonisierende Wirkung des Süßen einen Ausgleich im sehr holzigen Alltag zu finden. Desweiteren wird durch den süßen Geschmack Selbstfürsorge vorgespielt, wenn diese verloren gegangen ist. Der Kontakt zu seinem Ich, seinem Selbst ist abgerissen und es wird versucht, diese Leere zu befriedigen und sich selbst ruhigzustellen.
Die Erde ist unser Nahrungslieferant, bei gutem Umgang mit der Erde ist unser Essen reichhaltig und energetisch wertvoll.
Unsere Erde wird genährt duch unsere Mutter, volkstümlich auch als Mutter Erde bezeichnet.
Schon während der Schwangerschaft werden wir über die Nabelschnur ernährt, nach der Geburt nährt uns die Muttermilch. Der Prozess der Abnabelung durch das Abstillen ermöglicht es, die Umgebung eigenständig wahrzunehmen und ein Ego zu entwickeln. Die Mutter sorgt für eine vertrauliche, ruhige Umgebung. Sie sorgt und nährt bedingungslos und ist immer liebevoll zur Stelle, wenn sie benötigt wird.
iiiIm Hervorbringungszyklus ist die Jahreszeit der Erde der Spätsommer. Im Spätsommer wird die Ernte eingefahren, die Früchte der Arbeit werden geerntet. Eine Person mit einer gesunden Erde sorgt für sich und ernährt sich gut. Sie zieht Nutzen aus dem Gelernten und verarbeitet es, sie ist zufrieden damit, was sie hat, ihr Hunger bleibt nicht ungestillt.
ivDie geistige Energie der Milz ist Yi 意: Es setzt sich zusammen aus Etablieren/ Begründen, darunter ist ein Mund zu sehen. Im untersten Teil ist das Schriftzeichen für das Herz zu erkennen.
Zusammen bedeutet dies „Prozess der Meinungsbegründung in der Welt mit Worten, die von Herzen kommen“ v. Ist der Shen gesund, kann man seine Mission und seine Träume leben und verwirklichen:
„When the yi is fullfilling its function, we fully commit ourselves to manifest our destiny and to bringing the light of our spirits into the world around us. The yi is the soul aspect that lets the world know that we mean to stand by our dream.“ vi
Ist die Erde gesund, kann man
„praktisch denken, lernen, sich etwas merken, Gedanken fokussieren, sich konzentrieren und Ideen entwickeln.“ vii
Yi bedeutet auch, zielgerichtet in seiner Intention und seinen Gedanken zu sein.
Die Tugenden der Erde sind Vertrauen und Aufrichtigkeit. Diese sind ein wichtiger Teil der Basis für die Entwicklung und das Wahren einer starken Mitte.
Die Grundlage in das Vertrauen, genährt und umsorgt zu werden, wird in der Kindheit gelegt. Im weiteren Leben werden die Tugenden durch Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit anderen gegenüber verankert.
Durch Vertrauensmissbrauch und die Erfahrungen, angelogen und ausgenutzt zu werden, wird die Erde in Mitleidenschaft gezogen, und die Mitte geht verloren. Der Hervorbringungszyklus, welcher sich auch auf die Tugenden bezieht, wird unterbrochen:
„Weisheit sollte in der Lage sein, Güte hervorzubringen. Güte sollte in der Lage sein, Sittlichkeit hervorzubringen. Sittlichkeit sollte in der Lage sein, Aufrichtigkeit hervorzubringen. Aufrichtigkeit sollte in der Lage sein, Gerechtigkeit hervorzubringen. Gerechtigkeit sollte in der Lage sein, Weisheit hervorzubringen.” ix
Die Diätetik ist eine der Grundsäulen der Chinesischen Medizin. Nach einer ausführlichen Anamnese, wenn alle Beschwerden bekannt sind, kann eine Empfehlung ausgesprochen werden, welche Lebensmittel zu der Konstitution und den aktuellen Beschwerden passen, diese muss personalisiert sein. Hierfür muss der Therapeut das Grundwissen über Thermik, Geschmackswirkung und deren Wirkweise besitzen.
Wie schon oben beschrieben, ist der Erde der süße Geschmack zugeordnet. Zuviel Süßes produziert Feuchtigkeit, der saure Geschmack kann über den Ke-Zyklus Kontrolle ausüben.
Generell mag die Milz die Trockenheit und der Magen die Feuchtigkeit: Dies zeigt, wie wichtig es ist, eine Balance in der Ernährung zu finden.
Es gibt allerdings einige Ratschläge, die helfen zu verdauen und aufzunehmen.
iLorenzen/Noll, Die Wandlungsphasen der traditionellen chinesischen Medizin, Band 3 Wandlungsphase Erde, Verlag Müller und Steinecke München, 2012, S.22
iiJosef Viktor Müller, Den Geist verwurzeln Band 2, Verlag Müller und Steinecke München, 2012, S. 331ff
iiiJosef Viktor Müller, Den Geist verwurzeln Band 2, Verlag Müller und Steinecke München, 2012, S. 329
ivHicks/Hicks/Mole, Konstitutionelle Akupunktur nach den Wandlungsphasen, Elsevier, 2008, S.147f
v s.o.
viLorie Eve Dechar, Five Spirits, Chiron Publications/Lantern Books, 2006, S. 216
viiMaciocia, Grundlagen der Chinesischen Medizin, Elsevier, 1994, S. 207f
viiiLorenzen/Noll, Die Wandlungsphasen der traditionellen chinesischen Medizin, Band 3 Wandlungsphase Erde, Verlag Müller und Steinecke München, 2012, S. 279ff
ixLorenzen/Noll, Die Wandlungsphasen der traditionellen chinesischen Medizin, Band 3 Wandlungsphase Erde, Verlag Müller und Steinecke München, 2012, S. 280